Angesichts des Mangels an hochqualifizierten Arbeitskräften rückt die Bildungs-Inklusion von begabten Behinderten und körperlich Eingeschränkten weiter in den öffentlichen Fokus. Zahlreiche Initiativen der Industrie und öffentlichen Verwaltung zur beruflichen Integration behinderter Talente zeugen von dieser Notwendigkeit.
Ein Studium mit Behinderung ist jedoch immer von Barrieren gekennzeichnet, selbst wenn es um digitale Inhalte und Lehrformate geht. In Zeiten der Pandemie wurden Videokonferenzen, Lernplattformen und digitale Studienverwaltung plötzlich zu einem zentralen Bestandteil des Hochschulalltages. Die digitalen Barrieren wurden dadurch vorerst umso vielfältiger.
Die Goethe-Universität Frankfurt und die Technische Hochschule Mittelhessen widmen sich unter dem Dach des "HessenHub" seit 2019 diesem Thema. Ihr gemeinsam initiiertes “Netzwerk digitale Barrierefreiheit an Hochschulen” will eine Inklusionskultur an hessischen Hochschulen schaffen und das Know-How im deutschsprachigen Raum bündeln. Ziel ist es, Dozierende und wissenschaftliches Personal der Hochschulen qualifiziert in die Lage zu versetzen, beeinträchtigten und behinderten Studierenden den Zugang zu dem oft komplexen Fachwissen zu ermöglichen.
Aufgrund der Pandemielage hat sich das Netzwerk um Dr. Sarah Voß-Nakkour der Goethe-Universität Frankfurt und Prof. Dr. Monika Maria Möhring, Leiterin des Blindenzentrums BliZ der THM, zu einer Tagung am 30. September in digitaler Form entschlossen. Mehrere Dutzend Forschende, Dozierende und Lehrkräfte aus dem gesamten deutschsprachigen Raum folgten dem Aufruf und meldeten sich für einen Vortrag oder die Teilnahme an.
Geboten werden Einblicke in Projekte zur barrierefreien Hochschulorganisation und -kommunikation, wie IT-Systeme zur Prüfungsanmeldung und Notenverwaltung. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf den rollstuhlgerechten Campus gelegt, wozu u.a. ein Beitrag der Wheelmap.org Organisation "Sozialhelden" anregen soll.
Im Programmpunkt "inklusive Lehre" wird die Umsetzung mathematischer Formeln in Braille sowie ein Chemie Leistungskurs für Blinde der BliStA Marburg vorgestellt. Innovative Formate wie spielerisches Lernen am PC und virtuelle Welten sowie Lernvideos machen Inhalte für Gehör-, seh- oder motorisch Eingeschränkte begreifbar und kommen gleichzeitig Nichtbehinderten zu Gute. Barrierefreie Dokumente bereiten bereits im Vorfeld auf Online-Vorlesungen vor. Tastbare Grafiken auf Knopfdruck erschließen Studienfächer wie Architektur, die Sehbehinderten bisher verwehrt geblieben sind.
Weiter führende Beiträge befassen sich mit inklusivem Design für Alltagsgegenstände sowie mit dem gesellschaftlichen Dialog in Sachen Barrierefreiheit und Bildungsgerechtigkeit.
Die Bedeutung des Netzwerktreffens wird untermauert durch die Grußworte der Vizepräsidentin Specht und Vizepräsident Brüne der beiden Hochschulen sowie des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung. Die hessische Behindertenbeauftragten, Frau Rika Esser, gibt einen Ausblick auf die politisch-gesellschaftliche Agenda der Landesregierung. Ihr wird im Rahmen der Tagung eine Petition der Goethe Universität und THM zum Förderbedarf digitaler Barrierefreiheit im Hochschulumfeld übergeben.
Die Ergebnisse der deutschlandweit einzigartigen Tagung werden in einer Publikation festgehalten, welche für 2022 geplant ist.
Die Tagung findet am Donnerstag den 30.09.2021 von 09:30 Uhr bis ca. 17:00 Uhr virtuell statt. Das Programm sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter diesem Link: https://www.digll-hessen.de/programm-der-tagung-digitale-barrierefreiheit-weiterdenken/. Auch Teilnehmende außerhalb des Hochschulumfeldes sowie betroffene Studierende sind willkommen.
Quelle: Blindenzentrum BliZ der THM