Künstliche Intelligenz im Weltraum: Klingt nach dem Thema eines Science-Fiction-Romans, ist aber Schwerpunkt einer Arbeitsgruppe am Kompetenzzentrum Nanotechnik und Photonik der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM). Derzeit wird mit den Partnern der Justus-Liebig-Universität (JLU) ein Experiment für die ISS geplant.
Die AG des Fachbereichs Elektro- und Informationstechnik ist Teil des Projekts AIMS (Artificial Intelligence Meets Space) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Prof. Dr. Mike Schwarz sowie die Doktoranden Niklas Dormagen, Max Klein und die Masterstudentin Sarah Pappert haben während eines Konsortionaltreffens in Duisburg ihre bisherigen Ergebnisse, Erkenntnisse und den Stand ihres Teilprojekts AIPEX (Artificial Intelligence for Plasmaexperiments) vorgestellt. Es handelt sich um eine Kooperation mit Prof. Dr. Markus Thoma von der JLU.
Hauptziel ist die Lokalisierung von Partikeln in komplexen Plasmen – also Materie mit hohem, instabilem Energieniveau. Die erwarteten Resultate sind für deren detailliertes Verständnis bedeutsam. Für die Physik kondensierter Materie und die Fluidphysik dienen komplexe Plasmen als Modellsysteme. Auch für die Industrie ist die Forschung des „Plasmakristallexperiment 4 (PK-4)“ interessant. So könnten die Ergebnisse die Chipherstellung oder die Technik in Fusionsreaktoren verbessern. Darüber hinaus sind wertvolle Erkenntnisse für astrophysikalische Fragestellungen zu erwarten – wie etwa zur Staubagglomeration im Zuge der Planetenentstehung.
Die AG stellt für ihren Beitrag drei Hauptziele in den Fokus, die unter Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) verfolgt werden: Die Automatisierung des PK-4-Experiments, die Datenkompression der Partikelaufnahmen und die Anwendung verschiedener KI-Methoden zur Detektion von Partikelpositionen und -ketten. Während seit 2014 ein Aufbau auf der Internationalen Raumstation (ISS) im Orbit um die Erde betrieben wird, dient eines von zwei Referenzmodellen des PK-4, an dem an der JLU gearbeitet wird, zur Experimentplanung.
Die Referenzmodelle sind in Funktion und Programmierung weitgehend identisch mit dem Flugmodell auf der ISS. Sie werden zur Koordinierung der ISS-Experimente verwendet, insbesondere zum Testen vorgeschlagener Experimente wie AIPEX, zur Entwicklung von Experimentprotokollen und Software sowie zur Behebung von Problemen auf der ISS. Daher liegt es sich für Forschende an, auch unter reduzierter Schwerkraft an den Modellen zu arbeiten. Diese Möglichkeit bieten der Wissenschaft – außerhalb des Weltraums – nur Parabelflüge.
Eine Flugkampagne besteht normalerweise aus drei bis vier Flugtagen. An jedem Flugtag werden 31 Parabeln mit jeweils rund 22 Sekunden reduzierter Schwerkraft durchgeführt. Dies gibt die Möglichkeit, Proben zu wechseln, Experimentkonfigurationen zu ändern und direkt auf das Verhalten des Experiments zu reagieren. Das macht die Parabelflüge zu einer idealen Vortestplattform für Experimente in der Mikrogravitation. Durch Modifizierung des Flugmanövers können verschiedene Bedingungen mit reduzierter Schwerkraft hergestellt werden, um mond- oder marsähnliche Schwerkraftbedingungen zu schaffen.
Im Rahmen ihrer Arbeit haben Prof. Markus Thoma und Prof. Mike Schwarz sowie Niklas Dormagen, Max Klein, Lukas Wimmer, Michael Kretschmer und Thomas Nimmerfroh an einer Parabelflug-Kampagne, die von Novespace in Bordeaux angeboten werden, teilgenommen. Die Kampagnen werden von der Raumfahrt-Agentur des DLR oder von der ESA organisiert. Die Doktoranden Dormagen und Klein haben Experimente durchgeführt und die KI-Methoden der Automatisierung und Bilderkennung unter „realen“ Schwerelosigkeitsbedingungen erfolgreich getestet.
Die Erkenntnisse fließen in das bestehende Experiment AIPEX ein, dienen aber auch der Vorbereitung des PK-4-Nachfolgers COMPACT, an dem in Zusammenarbeit mit den Universitäten Greifswald und Auburn (Alabama, USA), dem DLR, der NASA und der Firma OHB gearbeitet wird.
