Titel: |
Innovative Abwärmenutzung aus Rechenzentren in Hessen am Beispiel von Offenbach |
Laufzeit: | 01.03.2022 - 28.02.2023 |
Projektvolumen: | 149.700 € |
Projektleiter: | Prof. Dr.-Ing. Stefan Lechner |
Projektpartner: | Energieversorgung Offenbach (EVO), Lokale Agenda 21 Offenbach, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) - Landesverband Hessen e.V., Borderstep Institut (Unterauftragnehmer) |
Förderprogramm: | Energetische Förderung HEG |
Gefördert vom | Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank) |
Förderkennzeichen: | E/531/71599348 |
Projektziel
Das Ziel ist eine auf technischen Merkmalen und ökonomischen Grundlagen basierende, hessenweit übertragbare Blaupause für einen klimaschonenden und nachhaltigen Betrieb von Rechenzentren im Hinblick auf Optionen der Abwärmenutzung zu erarbeiten. Dazu wird eine Analyse am Standort Offenbach durchgeführt und mittels Jahressimulation energetisch und ökonomisch bewertet.
Kurzfassung der Projektbeschreibung
Im Verbundprojekt „InnovAbwNRZ“ werden technische und ökonomische Grundlagen zur Bewertung verschiedener Optionen der Abwärmenutzung aus Rechenzentren erarbeitet. Darüber hinaus wird am Beispiel Offenbach anhand eines realen Rechenzentrums ein Simulationsmodell zur Darstellung der nachhaltigen Abwärmenutzung entwickelt, in welches die erarbeiteten Grundlagen einfließen. Aus dieser beispielhaften Detailbetrachtung werden abschließend landesweit übertragbare Handlungsempfehlungen in Form einer Transformations-Roadmap für weitere existierende oder geplante Rechenzentren abgeleitet.
Ergebnisse
Gegenüberstellung Kühlsysteme
Die Gegenüberstellung (s. Abbildung 1) von verschiedenen Kühlmethoden zeigt die Potenziale der Nutzung von Abwärme in einem fiktiven 20 MW Rechenzentrum im Versorgungsgebiet des Offenbacher Fernwärmenetzes. Obwohl das Wärmenetz das größte Potenzial zur Nutzung von Abwärme bietet, hat es begrenzte Kapazitäten und kann besonders im Sommer durch einen saisonalen Engpass nur begrenzt Wärme aufnehmen. Die modellierten Kühlsysteme bieten aus technischer Sicht mehrere Optionen, Abwärme auszukoppeln. Die Position der Abwärmeauskopplung hat Einfluss auf die Effizienz und Wärmemenge bei der Abwärmenutzung. Die Wasserkühlung hat sich hierbei als effizienteste Variante, mit einem Anteil von über 50% des gesamten Strombedarfs Rechenzentrums (ERF) bei einer Energieeffizienz der Abwärmenutzung (ERE) von 0,6 im betrachteten Fall herausgestellt.
Speicherbedarf
Zur Betrachtung des Speicherbedarfs werden die zwei Rechenzentren mit Frischluftkühlung, Maincubes und MainDC1 gegenübergestellt. Sie unterscheiden sich in installierter Kühlkapazität und Betriebsparametern. MainDC1 hat eine höhere Effizienz aufgrund der direkten Frischluftkühlung und verfügt über Lüftungsgeräte. Beide nutzen adiabate Kühloptionen zur Minimierung der Kältemaschinenlaufzeit. Wie in Abbildung 2 erkennbar, beeinflusst die Engstelle im Fernwärmenetz die Effizienz und Menge der nutzbaren Abwärme. In optimalen Fällen können 70-80% des gesamten Strombedarfs als Abwärme genutzt werden. Wenn die Engstelle im Fernwärmenetz vorhanden ist, können beide RZ bis zu 31 bzw. 45 % des Gesamtbedarfs als Abwärme nutzen. Beim Einspeisen beider RZ sinkt das Potenzial auf 19 bzw. 27 %.
Wirtschaftlichkeit und CO2-Einsparung
Das Rechenzentrum mit einer IT-Kühllast von 16 MW dient als Ausgangspunkt zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit und Ermittlung des CO2-Einsparpotenzials. Durch die Jahressimulation konnte eine Abwärmemenge von etwa 65 GWh sowie ein Strombedarf der Wärmepumpen von etwa 25 GWh bei einem Gesamtbedarf des RZ von etwa 183 GWh ermittelt werden. Bei der Betrachtung der Emissionen wird die Verdrängung der Abwärme gegenüber der Erzeugung von Fernwärme berücksichtigt.
Durch die Nutzung der Abwärme kann eine jährliche CO2-Einsparung von 9.027 tCO2 im Strommix und 18.126 tCO2 bei Verwendung von EE-Strom erreicht werden. Die Einsparung ist stark abhängig vom Potenzial in der Wärmesenke.
Um das wirtschaftliche Potenzial der Abwärmenutzung in Offenbacher RZ zu bewerten, werden die Kosten für die nutzbar gemachte Abwärme in drei Finanzierungsvarianten bestimmt. Es wird wie bereits bei der Bestimmung der Metriken nach der Bilanzgrenze unterschieden, was hier die Zuordnung der Wärmepumpe mit zugehörigen Leitungen und Pumpen entweder dem Betreiber des Rechenzentrums oder dem Betreiber des Wärmenetzes zuordnet:
- RZ-Betreiber hat gesamtes Investment
- RZ und FW-Netz Betreiber teilen sich das Investment nach Installationsort
- FW-Netzbetreiber hat gesamtes Investment
Für jede Variante werden die aus Kapital-, Bedarfs- und Betriebskosten bestehenden Jahresannuitäten nach VDI 2067 Teil 1 ermittelt und mit Fördermöglichkeiten verrechnet. Stromkosten für den Betrieb der Wärmepumpen beeinflussen deutlich die Wirtschaftlichkeit der Abwärmenutzung. Mit aktuellen Preisen ist die Abwärmenutzung nicht wirtschaftlich darstellbar. Aktuell ist eine Prognose Preisentwicklung schwierig. Deswegen wurden hier zwei früherer Preisniveaus (2019/2020 und 2021/2022) betrachtet. Beide basieren auf der Annahme, dass sich der Markt wieder entspannt und die aktuell hohen Strompreise im Laufe des aktuellen Jahres wieder sinken. Die Gestehungskosten für die Nutzung von Abwärme werden unter Berücksichtigung der Jahressumme berechnet und mit den aktuellen Preisen für Fernwärme verglichen. Als Ergebnis lässt sich sagen, dass die Wirtschaftlichkeit der Abwärmenutzung erst dann gegeben ist, wenn der aktuell hohe Strompreis auf ein Niveau zwischen 2021/22 (16,6 Ct/kWh) und 2019/20 (6,4 Ct/kWh) fällt. Bei den betrachteten Fördermöglichkeiten ist es dabei günstiger den Betrieb der Wärmepumpe durch den Wärmenetzbetreiber abzudecken. Dann können Gestehungspreise erzielt werden, die abzüglich der Gewinnmarge im Bereich von 14 Ct/kWh liegen.
Transformations-Roadmap
Zur Unterstützung der Arbeiten wurden im Rahmen des Vorhabens vom Borderstep Institut eine Analyse der Marktentwicklungen bei Rechenzentren in Hessen durchgeführt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass aktuell die Kapazitäten der RZ in Hessen jährlich um etwa 10 % wachsen. Im Jahr 2021 hatten die RZ in Hessen einen Stromverbrauch von 4.900 GWh/a. Bis zum Jahr 2030 kann dieser, wenn der Boom beim Ausbau der Rechenzentren anhält, bis auf 8.300 GWh/a ansteigen. Dabei konzentriert sich das Wachstum insbesondere in der Region Frankfurt Rhein/Main.
Auf Basis der Ergebnisse der Marktstudie, der Analyse von Hemmnissen bei der Realisierung von Abwärmenutzungsprojekten und der Diskussionen im Rahmen eines Stakeholder-Workshops mit über 80 Teilnehmenden am 12.1.2023 in Frankfurt wurde eine Roadmap „Abwärmenutzung aus Rechenzentren in Hessen“ entworfen, die Maßnahmen vorschlägt, wie die Abwärmenutzung aus Rechenzentren künftig forciert werden kann.