Quantencomputer: Wozu sind sie gut?“ fragte im vergangenen Jahr der Wissenschaftsjournalist Michael Brooks im Magazin „Nature“. Beim Digital-Gipfel der Bundesregierung hat THM-Professorin Dr. Bettina Just Anwendungsfälle der Zukunftstechnologie abseits der Forschung erläutert.
Die Professorin am Fachbereich Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik (MNI) der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) war von der hessischen Landesregierung eingeladen, am Programm des Gastgeberlandes für den Kongress teilzunehmen. „Quantencomputing – Anwendungsgebiete und politische Steuerung einer Zukunftstechnologie von morgen“ war der Titel ihres Beitrags zum Hauptprogramm des Gipfels.
Digitale Innovationen prägen unsere Gesellschaft immer stärker. Sie sind zentraler Wohlstandstreiber unserer Wirtschaft. Eine Voraussetzung für das Entstehen digitaler Innovationen und für die Resilienz unserer Gesellschaft ist digitale Souveränität, die durch ein gemeinsames internationales Werteverständnis gestärkt wird. Im Rahmen von Fragestellungen wie „In welchen Bereichen ist Deutschland digitaler Vorreiter, wo gibt es Aufholbedarf? Welche digitalen Innovationen werden uns in Zukunft beschäftigen?“ zeigte die Bundesregierung in Frankfurt zwei Tage lang Chancen und Potentiale ihrer Digitalpolitik auf und präsentiert Lösungsansätze.
„Quantencomputing ist in diesem Gesamtpaket ein Aspekt, der in der Zukunft ein enormes Potential entwickeln kann“, erklärt Just. Es werde, so die Einschätzung auch des Bundesdigitalministeriums, in wenigen Jahren komplexe Berechnungen ermöglichen, die neue Möglichkeiten in Sektoren wie Logistik, Finanzen, KI oder Fertigung eröffnen. Gleichzeitig entstehen dadurch neue Herausforderungen für Datensicherheit. Hessen fördert diese Technologie, die Bundesregierung unterstützt mit dem „Handlungskonzept Quantentechnologien“ und dem Förderprogramm „Quantencomputing – Anwendungen für die Wirtschaft“ die Entwicklung wirtschaftlicher Anwendungen.
Und dort besteht Interesse an der Nutzung der Technologie, weiß Just. Sie leitet das TransMIT-Zentrum für Quantencomputing, das Vorträge, Schulungen, Workshops und Beratungsleistungen anbietet. Dies umfasst einen sehr niedrigschwelligen, schnellen Einstieg ins Thema mit maßgeschneiderten Seminaren für Unternehmen und Institutionen. Dieser müsse wissenschaftlich fundiert und skalierbar sein, dürfe aber gleichzeitig nur wenig Zeit kosten, damit die Unternehmen selbst entscheiden könnten, was die Technologie für sie bedeuten kann. Es gelte, vorbereitet zu sein. In Diskussionen beim Stationengespräch zum Quantencomputing, an der Wissenschafts-station als Duo mit Dr. Jan Timper vom Forschungszentrum Jülich, wurden Parallelen zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz deutlich: Noch vor wenigen Jahren war diese Technologie für kleine und mittlere Unternehmen kaum erschwinglich sowie von begrenzter Relevanz. Inzwischen halte sie Einzug in fast alle Unternehmens- und Gesellschaftsbereiche. Wer sich frühzeitig mit dem Thema befasst, besitzt einen Wissens- und Anwendungsvorsprung. Gleiches, so ein Fazit, gelte auch für das Quantencomputing. Mittelständische Unternehmen könnten darüber hinaus insbesondere in Bereichen wie Steuerungstechnik und Elektronik ihre Innovationsstärken in die Entwicklung des deutschen Quanten-Ökosystems einbringen – eine Fachkompetenz der mittelhessischen Wirtschaft.
Aus dem gemischt fachkundigen wie aus Anwenderperspektive am Thema interessierten Publikum kamen viele Fragen – von grundlegenden zur Funktionsweise der Technologie bis zu der nach konkreten Beispielen für ihre Nutzung. Timper und Just machten deutlich, dass Quantencomputing ganz konkreten Alltagsnutzen haben kann – etwa bei der nur profan klingenden, aber hochkomplexen Aufgabe, die optimale Fahrtroute von Paketdienstleistern in Echtzeit zu berechnen. Auch erklärten sie, dass viele etablierte Herangehensweisen von Programmierung neu gedacht werden müssten. Eine Anforderung wie „Berechne 1+1“ habe beim Quantencomputing keinen Sinn, weil die Änderung eines Qubit als grundlegende Recheneinheit die unmittelbare Änderung der Zustände aller Qubits des Computers bedeuten kann – aber zugleich nicht zwingend muss. „Beim Quantencomputing müssen sich Hardware und Software parallel entwickeln“, so Timper.
Foto: THM