TIFL - Tieffrequente Immissionen im Freizeitlärm
In unserer hoch technisierten Gesellschaft entstehen immer mehr Quellen für tieffrequente Schallemissionen. Der Ausbau von Verkehrs- und Infrastruktur bei zeitgleicher Zunahme der Siedlungsdichten und Flugrouten sowie eine Verdichtung von gebäudetechnischen und energiewirtschaftlichen Anlagen tragen dazu bei, dass tieffrequente Immissionen gerade in Ballungsgebieten zunehmen und in das umliegende Wohnumfeld propagieren
Open-Air-Festivals und die damit einhergehende Nutzung von Beschallungsanlagen auf Freiluftveranstaltungen sind Bestandteil der Gesellschaft und des kulturellen Lebens geworden. Die dabei entstehenden Geräuschemissionen haben heutzutage meist hohe Energieanteile im tieffrequenten Bereich, da moderne Beschallungsanlagen nach Stand der Technik in der Lage sind, tiefe Frequenzen mit hohen Energieanteilen wiederzugeben. Zudem handelt es sich hierbei um Emissionen, bei denen Veranstaltungsbesucher eine bestimmte spektrale Zusammensetzung mit Signalanteilen im tieffrequenten Bereich erwarten, die von Anwohnern im Einwirkbereich wiederum als lästig wahrgenommen werden. Wegweisende Studien der vergangenen Jahre zeigen, dass besonders die Geräusche, die hohe Signalanteile im tieffrequenten Bereich aufweisen, von Betroffenen als bedrohlich und belästigend beschrieben werden.
Seit September 2022 wird an der THM ein umfangreiches Forschungsprojekt zu tieffrequenten Immissionen im Freizeitlärm (kurz: TIFL) durchgeführt. Das Vorhaben befasst sich mit der Problematik tieffrequenter Lärmimmissionen bei Veranstaltungen. Das aktuell in Deutschland anzuwendende allgemeine Verfahren nach DIN 45680 wurde speziell für den Gewerbe- und Industrielärm konzipiert und ist für die Situation im Freizeitlärm aus verschiedenen Gründen unpassend. Dies führt zu äußerst schwerwiegenden Problemen in der Praxis. Das Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung eines neuen spezifischen und praktikablen Mess- und Beurteilungsverfahrens für den Freizeitlärm, das zum einen dem Gesundheitserhalt der Bevölkerung dienen und zum anderen eine dringend benötigte, verbindlichen Grundlage für eine regelkonforme Durchführbarkeit von Veranstaltungen liefern soll. Das Verfahren soll der Normung zugeführt werden und damit im Idealfall zukünftig flächendeckend bei allen Veranstaltungen in Deutschland als Genehmigungs-, Mess- und Beurteilungsgrundlage eingesetzt werden.
Um das Verfahren zu entwickeln, sind verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen notwendig. Zur Ableitung statistischer Kenngrößen sollen umfangreiche Immissionsmessungen bei Veranstaltungen durchgeführt und Ratings von schalltechnischen Sachverständigen erhoben werden. Zudem müssen Fassadendämmwerte im tieffrequenten Bereich erfasst werden. Einen zentralen Kern des Vorhabens bilden psychoakustische Experimente mit für den Freizeitlärm typischen Stimuli und Konstellationen. Hier sollen die spezifischen perzeptiven Eigenschaften von Immissionen im Freizeitlärm erforscht und offene Fragen geklärt werden, wobei die Störwirkung im Zentrum der Untersuchungen steht. Hierzu soll auch im Rahmen des geplanten kooperativen Promotionsvorhabens ein auditorisches Modell entwickelt werden. Weiterhin soll neue Messtechnik entwickelt und implementiert werden, die zunächst zur Forschung dem das Vorhaben selbst dient – im Anschluss aber auch eine technologische Grundlage für die Messung und Überwachung von Veranstaltungen und Veranstaltungsstätten bilden kann.