Die geriatrische Versorgung ist in einer alternden Gesellschaft essentiell. Oftmals wissen Betroffene und ihre Angehörigen jedoch nicht, an wen sie sich wenden können, welche benötigten Hilfsmittel und Unterstützungsangebote es gibt und wie sie diese erhalten können. Selbst innerhalb der Branche gibt es keinen vollständigen Überblick. Ein Gießener Projekt soll dies ändern.
Um Unterstützung in dieser komplexen Situation zu schaffen, forschen Prof. Dr. Susanne Hanefeld und ihr Team des Willy Robert Pitzer-Instituts für Versorgungsforschung und Rehabilitation am Fachbereich Gesundheit der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) am Konzept für einen „Geriatrischen Runden Tisch in der Region Gießen“ (GeRTiGi). Die Idee entstand auf Betreiben von Dr. Stefan Steidl, Chefarzt der Geriatrie und Alterstraumatologie sowie stellvertretender Ärztlicher Direktor des Gießener St. Josefs Krankenhauses, und der Diplom-Sozialpädagogin Daniela Poppe von der Beratungs- und Koordinierungsstelle für ältere und pflegebedürftige Menschen in der Stadt und im Landkreis Gießen (BeKo). Entsprechend ist es als Gemeinschaftsprojekt angelegt.
Hintergrund ist, dass viele Menschen im Alter an mehreren Beschwerden oder Krankheiten leiden und Medikamente benötigen. Diese als geriatrisch bezeichnete Gruppe ist in der Regel auf Hilfe, Pflege und Betreuung durch andere angewiesen. Die Familie oder das soziale Umfeld der Betroffenen können diesen Anforderungen jedoch oft nicht gerecht werden. Eine effektive Versorgung als Einzelleistung ist daher nicht gegeben. Vielmehr erfordert es einen reibungslosen Übergang und vor allem Kommunikation und Zusammenarbeit einer Vielzahl von Leistungserbringern. Die Forschungsarbeit zielt darauf ab, den Austausch über medizinische Fachgrenzen hinweg zu fördern, ein Netzwerk zur Versorgung aufzubauen und so zu einer Optimierung der geriatrischen Versorgung in der Region Gießen beizutragen.
Durch die Einrichtung eines Runden Tisches wird den behandelnden und pflegenden Akteurinnen und Akteuren im Bereich der Geriatrie die Möglichkeit gegeben, aktuelle Problemsituationen zu diskutieren. Im Rahmen von anonymisierten Fallbesprechungen werden gemeinsame Lösungen und Ansätze erarbeitet. Zwei Fragen, die laut Prof. Hanefeld bei der Etablierung des Runden Tisches wichtig sind: „Wie nehmen die Akteurinnen und Akteure der geriatrischen Versorgung die Veränderungen in der Vernetzung wahr? Lässt sich aus ihrer Sicht eine Verbesserung der Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten ableiten?“ Die Struktur des Runden Tisches basiert auf einer Kooperation von derzeit 24 Akteuren unterschiedlicher Tätigkeitsfelder der geriatrischen Versorgung in der Region. Dazu gehören ambulante Pflegedienste, die BeKo, Hospizvereine, Krankenhäuser mit Expertise für die stationäre geriatrische Versorgung, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte als zentrale Ansprechpersonen der ambulanten Versorgung sowie der Landkreis Gießen.
Die THM übernimmt die Entwicklung und Anwendung eines Moderationskonzeptes, die Gesprächsleitung sowie die Auswertung des Runden Tisches. Die Ergebnisse sollen als vorbereitende Maßnahme dienen, um im nächsten Schritt die langfristige Etablierung eines regionalen geriatrischen Zentrums zu ermöglichen. Ziel ist es, aufzuzeigen, ob und inwiefern eine intensive Kooperation der Akteure im Bereich der geriatrischen Versorgung zu einer Optimierung der Versorgungssituation Betroffener führen kann. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Format, das bereits zur Verbesserung der medizinischen Versorgung beiträgt, ist der „Runde Tisch Zukunftsprogramm Geburtshilfe und Hebammenhilfe in Hessen“. Dieser bündelt das Fachwissen auf Landesebene, um dadurch die Versorgungssituation in der Geburtshilfe und damit auch die Situation der Hebammen flächendeckend zu verbessern.